Die Hallenuhr stand auf 59:14 Minuten, als Stefan Baumgärtel mit dem Treffer zum 33:31 die Partie letztlich doch noch für den TV Münchberg zu drehen schien. Doch allzu siegessicher sollte man sich nie, zumindest nicht in torreichen Partien, fühlen. Diese Erfahrung machten die Grün-Schwarzen in den Schlusssekunden des jederzeit spannenden und überaus fairen Lokalderbys. Es passierte in der Folge genau das, womit eigentlich keiner in der Gymnasiumhalle mehr gerechnet hatte.
Schneller Anwurf Hochfranken, Foul und Strafwurf. Timo Nützel nutze die Chance und verkürzte 29 Sekunden vor Abpfiff auf 32:33. Anwurf Münchberg und Hochfranken ging sofort zur offenen Manndeckung über. Der TVM tankte sich durch, doch ausgerechnet Kalas scheiterte mit Wurf und Nachwurf an Vladi Michanek, der in den letzten 20 Minuten wieder einmal bewies, dass er dann da ist, wenn er wirklich gebraucht wird.
Noch 9 Sekunden, die einmal mehr unter Beweis stellten, dass fehlende Cleverness über Sieg und Niederlage, oder wie in diesem Falle über ein Unentschieden entscheidet. Anstatt, dass sich die Grün-Schwarzen sofort nach Ballgewinn Hochfranken ein Foul im Niemandsland der Halle geleistet hätten, eventuell sogar mit einer Zweiminutenstrafe in der Folge. Damit wäre die Uhr runtergetickt und der Sieg eingetütet gewesen. Aber so orientieren sich die Hausherren völlig indiskutabel brav, bieder und kontaktlos nach hinten und ließen den Gast gewähren.
Dass Hochfranken durch einen seiner Jüngsten und gleichzeitig Besten an diesem Tage, Julius Meinel, nach 60:00 Minuten noch zum Ausgleich kam, war hochverdient. Dass Meinel auch noch die Kaltschnäuzigkeit besaß, sich bis zum Kreis durchzuwuseln, um dann auch noch TVM-Keeper Cenk Uzun mit einem Heber zu düpieren, war schon fast frech. Aber genau diese Frechheit und Frische vermisste man über weite Srecken bei den Gastgebern.
Auf jeden Fall hätte sich auf TVM-Seite niemand beschweren dürfen, wenn die Gästespielgemeinschaft sogar beide Punkte eingesackt hätte. Am Ende siegte diesmal die sportliche Gerechtigkeit. Denn mit diesem jederzeit couragierten Auftritt – und weit von dem entfernt, was man eigentlich von einem Ligaschlusslicht erwarten sollte – war die HSV Hochfranken nicht nur hochverdienter Punktgewinner, sondern der moralische Sieger dieser Partie. Auch deshalb, weil man nach dem klaren Heimerfolg aus der Vorwoche gegen den TV Helmbrechts nun auch dem TVM einen Zähler abknöpfte und sich damit zum Derbysieger dieser beiden Wochen krönte.
Auf Seiten der Hausherren wusste man nach Abpfiff nicht so recht, wie dieses Unentschieden einzuordnen ist. In eigener Halle gegen das Ligaschlusslicht und Absteiger in die Bezirksoberliga Oberfranken deutlich zu wenig. In Anbetracht dessen, dass es der noch fehlende Punktgewinn zum endgültigen Klassenerhalt war, überwog bei den Schützlingen von TVM-Trainer Frank Lichtinger dann doch die Zufriedenheit. Speziell nicht wegen der Leistung an diesem Tag, sondern ganz einfach deshalb, weil man trotz der bekannten Umstände (Langzeitverletzungen, ständige beruflich bedingter Verhinderungen) immer improvisieren musste und sich damit eher schlecht als recht durch die Rückrunde hangelte.
Was bleibt unterm Strich? Für die HSV Hochfranken der Aufbau einer jungen, zukunftsorienten Truppe, die sich mit ähnlichem Leistungen wie diesmal auf einem sehr guten Weg befindet und jederzeit die direkte Rückkehr in die Landesliga anstreben kann. Für den TVM ein weiteres Jahr Landesliga mit der Zielsetzung auch dann wieder in der Klasse zu verbleiben. Zumal dann der Zusammenschluss mit dem TV Helmbrechts folgt, wo man sich als Landesligist weiter entwickeln und vielleicht dann sogar in der Spitze etablieren will.
Doch nun zur Chronologie des Derbys. Es war früh erkennbar, dass es eine torreiche Auseinandersetzung werden könnte. Nach dem schnellen 1:0 führten die Gastgeber nach 2:41 Uhr bereits mit 4:1. Die Spielgemeinschaft aus Selb und Rehau wurde kalt erwischt und wäre vielleicht der Musik noch ein ganzes Stück hinterhergelaufen, hätte nicht Jan Lad für 2 Minuten die Strafbank drücken müssen. Das reichte dem Gast, um auf 4:4 gleichzustellen.
Obwohl man solche gegnerische Zwischenspurts eigentlich wegstecken sollte, gelang dies dem TVM nicht. Auch deshalb nicht, weil die Abwehr seit Wochen nur auf dem Papier, aber nicht auf dem Feld steht. Auch diesmal stolperten die Gastgeber von einer Defensivverlegenheit in die nächste. Wahrscheinlich ganz einfach deshalb, weil die, die tatsächlich Abwehr spielen können, seit Wochen bzw. sogar Monaten fehlen. Es hat manchmal den Anschein, als ob die Grün-Schwarzen den Deckungsverband nur dazu nutzen, um wieder neue Kräfte für den Angriff zu sammeln. Unterstützung der Nebenleute und keilförmiges Verschieben – Fehlanzeige!
Hochfranken konnte es recht sein, dann damit riss der Gast das Geschehen an sich und ergriff die Initiative. Mit einem selbstbewussten Offensivauftritt, stieß man immer wieder in die scheunentorgroßen Abwehrlücken und damit gelang es sogar, sich bis auf 3 Tore abzusetzen. Es waren wenige technische Ungereimtheiten auf Gästeseite, die den TVM bis zur Pause wieder aufschließen ließen.
Nach Wiederanpfiff sofort der Ausgleich. Ab da blieb es jederzeit spannend. Auch deshalb, weil die Gäste mit Pich, Krauß, Herkt und vor allem Meinel Spieler in ihren Reihen hatten, die an diesem Tage vor allem läuferisch deutlich mehr als das TVM-Kollektiv zu bieten hatten. Aber genau diese läuferische Überlegenheit reichte eben nicht ganz über die komplette Distanz.
Dagegen hielt Münchberg in der Schlussviertelstunde eine Portion Routine. Die wiederum aber reichte auch nur aus, um zwischendurch sporadisch vorzulegen. Am Ende vermieste der eingangs bereits erwähnte Blackout den Grün-Schwarzen den greifbar nahen Sieg. Aber so können beide mit der Punkteteilung leben, obwohl sie in dieser Begegnungein mehrmals ein Wechselbad der Gefühle durchlebten. Baustellen waren auf beiden Seiten trotz allem genügend vorhanden. Um diese peu á peu zu beseitigen, bleibt künftig noch reichlich Arbeit. Auch das ist Derbyerkenntnis.
HANDBALL MÄNNER Landesliga/Nord
TV Münchberg – HSV Hochfranken 33 : 33 (17 : 18)
TV Münchberg
Hurt, Cenk Uzun (Tor);
Jan Lad (7), Kalas (6/3), Breuherr, Richter (4), Panzer (3), Valenta (1), Schrepfer (5), Winterstein, Szwarc (1), Kral (1), Skvaril (2), Baumgärtel (3).
HSV Hochfranken
Riedel, Köhler, Michanek (Tor);
Fritsch, Ludwig, Pich (9), Scherdel, Krauß (5), Dirr (2), Dorschner (2), Nützel (4/2), Meinel (5), Schaller (1), Herkt (5).
Schiedsrichter: Florian und Maximilian Murrmann (Altenfurt) – das Nachwuchsteam bot bis auf Kleinigkeiten eine souveräne Vorstellung
Zuschauer: 300
Zeitstrafen: Münchberg 4; Hochfranken 1.
Spielfilm: 1:0, 4:1, 5:6, 7:9, 11:11, 11:14, 13:16, 15:17, 17:18 (HZ); 19:19, 21:21, 22:24, 25:24, 27:27, 30:28, 33:31, 33:33.